"Du musst dich wehren können. Das ist wichtig, vor allem als Mädchen."
Das waren die Worte, die mein Vater vor gut 7 Jahren zu mir gesagt hat. Dann hat er mich fürs Karate angemeldet. Einfach so, ohne mich nach meiner Meinung zu fragen. Ich war vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, hab nicht so ganz verstanden, was das überhaupt sein soll, Karate. Weshalb genau ich dahin musste. Und dann bin ich das erste Mal gegangen. Manche haben vom Trainer so komische blaue und rote Dinger bekommen, die sie ausgepackt und sich umgebunden haben. Ihre Arme waren angewinkelt, die Hände zu Fäusten geballt. Ich stand irgendwo ganz hinten mit zwei oder drei Jungs, die ich nicht kannte, und zwei Mädchen aus meiner Klasse, die alle auch neu waren. Ich hab zugeschaut, gedacht, es wäre nicht so schlimm, wenn ich meine Hände nicht zu Fäusten ballte.
Ich bin einfach dahin gegangen. Eigentlich hat es mir gar keinen Spass gemacht, einmal wollte ich aussteigen. Die beiden Mädchen aus meiner Klasse haben schon nach kurzer Zeit wieder aufgehört."Ich sag meiner Mama, dass wir immer Runden rennen müssen und ich dann Seitenstechen bekomme." Von den paar Jungs kommt nur noch einer regelmässig ins Training. Die meisten, die damals diese komischen roten und blauen Dinger bekommen haben, habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Und ich... bin immer noch dabei.
Man geht nicht einfach nur dahin, schlägt einmal in ein Kissen, nennt den Schlag bei seinem japanischen Namen, macht eine Kata und geht wieder. Nein, man muss immer 100% geben. Immer voll da sein, an seine Grenzen gehen. Es war hart, aber ich hab mich durchgebissen. Ich bin stolz, ich habe den gelben Gürtel. Ich bin eines der einzigen Mädchen aus meiner Klasse, die Liegestützen richtig machen können. Die sie überhaupt machen. Nein, ich will nicht damit angeben. Aber ich bin stolz. Ja, manchmal verfluche ich meinen Trainer, trotzdem bin ich froh, dass ich weitergemacht habe. Wenn ich Karate mache, habe ich manchmal das Gefühl, dass das genau das ist, was ich wirklich gerne mache, dass ich ich bin. Ich, das Mädchen, dass Nagellack liebt und gerne süsse Kleidchen trägt. Denn das alles gehört zu mir.
Und das ist nur so, weil ich gemerkt habe, dass man nicht einfach nur dahin geht. Man geht und man ist da, und zwar richtig. So einfach ist das. Körperbeherrschung. Disziplin. Respekt.